Werner Nekes |

Alchimie des Blicks

Mein Bemühen, die Bildsprache zu erweitern, die Ausdrucksformen des Films zu erneuern, stellt mich in den Bereich der „physica curiosa”. Meine filmästhetische Position läßt mich meine Verehrung für all die Erfinder des Films und all die Entdeckungen der Praekinematographie ausdrücken.

Meine filmkünstlerische Reflektion führt mich zu den Quellen, zu den Alchimisten des “visuellen Goldes”.

Die Installation “Lichtspeicherndes Pulver“ ist dem deutschen Alchimisten Johann Heinrich Schulze gewidmet, der 1727 beschreibt, wie er einen Lichtträger (Phospherus) gesucht und einen Dunkelheitsträger (Scotophorus) gefunden hat. Er muß als Erfinder der “Lichtschreibekunst” angesehen werden, auch wenn er das Bild auf seinem lichtempfindlichen Brei noch nicht fixieren konnte. Die visuelle Information wird auf das lichttragende Pulver aufgeblitzt, und dann erleben wir den Zerfall der vielen Bildpunkte in kurzer Zeit, einen Vorgang, der auch unseren Filmen wohl leider beschieden sein wird.

Das “Zoetope Cinema” ist auf das Seherlebnis bezogen eine Umstülpung des Zoetropes von Horner, 1834, und es erweitert im Projektionsaufbau das Prinzip des Praxinoskops von Reynaud, 1877. Der Zuschauer befindet sich auf dem Boden der Wundertrommel und sieht in den herumlaufenden Schlitzen das bewegte Leben, den Film. Gezeigt wird mein “Uliisses”, zerlegt in 24 rotierende Bildstreifen.

Der “Zweiwegspiegel” mit dieser Lichtinstallation verwandelt das sich ihm darbietende Geschehen in “Protean Views” von Spooner, 1830. Die “Spiegelmaschinen” sind in der Entwicklung meiner Apparaturen Dinosaurier im Verhältnis zum computergesteuerten “Shutter“. Sie sind der direkteste Weg zu meiner Definition des Films, die das Thaumatrop von John Ayrdon, Paris 1827, als erstes filmisches Prinzip bestimmt. Die Verschmelzung zweier unterschiedlicher visueller Informationen läßt im Kopf des Zuschauers ein drittes Bild entstehen. Der Thaumatropeffekt: Eine visuelle Information, dann keine Information = Transportphase und dann eine andere visuelle Information. Film als ständige Montage, janusköpfig, vorwärts und rückwärts gerichtet. Film als Gestalt der Zeitrhythmusmaschine.

Werner Nekes
erschienen in der Begleitpublikation der gleichnamigen Ausstellung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt am Main, 1984

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